Liederkranz Ochsenhausen feierte Verdi im Bibliothekssaal (Schwäbische Zeitung)
19.10.2013
Das Jahr 2013 ist das Jubiläumsjahr zweier Operngiganten: der eine, Richard Wagner, ist im Mai und der andere, Guiseppe Verdi, im Oktober 1813 geboren. Selbst die Mailänder Scala wusste nicht so recht, welchem von beiden sie in der Spielzeit 2012/2013 den Vorrang geben sollte. Im diesjährigen Chorkonzert des Liederkranzes Ochsenhausen wurde diese Frage jedoch eindeutig beantwortet: Guiseppe Verdi ist der Größte! „Verdissimo!“, stand daher auch über alle Zweifel erhaben auf dem Programm für den Konzertabend im bis auf den letzten Platz ausverkauften Bibliothekssaal.
Gleich zu Beginn trat Giuseppe Verdi höchst persönlich auf, begleitet von seiner zweiten Frau, der skandalumwitterten Opernsängerin Giuseppina Strepponi, die sich darüber ärgerte, dass der Liederkranz seine Hommage an Verdi mit dem „Brautchor“ aus Wagners „Lohengrin“ eröffnete, zwar in den Seitengängen des Bibliothekssaales gesungen, um eine gewisse Distanz zu diesem gewagten Einstieg auszudrücken. Gleichwohl wurde damit an die triumphale Erstaufführung des „Lohengrin“ in Bologna 1871 erinnert, der auch Verdi mit seiner Peppina beiwohnte. Der Liederkranz jedoch flocht an diesem Abend Verdi den Ehrenkranz nicht nur mit dessen allseits bekannten und zum Mitsingen einladenden Opernchören wie dem „Gefangenenchor“ aus der Oper „Nabucco“, dem „Zigeunerchor“ aus „Il Trovatore“ , dem „Triumphmarsch“ aus der „Aida“ sowie mit Chören aus den Opern „Macbeth“ und „Othello, sondern auch – und das war der besondere Reiz an diesem Abend – mit Chorsätzen aus Verdis weniger bekannten Opern. Amüsant, unterhaltsam, schauspielerisch versiert und dennoch informativ führten Heidi Albinger-Seel als Peppina, Max Hadwiger als Giuseppe und Franz Zoll als Erzähler des szenischen Zusammenhanges, in dem die dargebotenen Opernchöre standen, streng an der Werkchronologie orientiert von einem musikalischen Glanzlicht zum anderen.
Schöne Frauen, böse Geister
Eröffnet wurde das Konzert mit einem Lobgesang auf die Schönheit der Braut Fidanzata aus Verdis erster Oper „ Oberto“, gefolgt von einem Trauergesang der Frauenstimmen um das Schicksal der zwangsverheirateten Giulietta aus der beim damaligen Publikum durchgefallenen Opernkomödie „Un giorno di regno“. Im Anschluss daran wechselte die Thematik von den Frauen zur Sehnsucht in fernen Landen nach der Heimat im „Kreuzfahrerchor“ aus der Oper „I Lombardi“ und natürlich im berühmtesten Verdi-Chor „Va pensiero“. Nun wurde die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf zwei tragische Einzelschicksale gelenkt. In der Oper „I due Foscari“ trifft der Sohn des Dogen von Venedig auf seinem Weg zur Galeere auf dem Markusplatz eine Volksmenge, die eine fröhliche Bacarole (Tace il vento) singt. Mystisch dagegen wird es, wenn Giovanna d’Arco in der gleichnamigen Oper, für die Schillers „ Die Jungfrau von Orleans“ das Libretto lieferte, böse und gute Geister erscheinen, um sie in einem Chorlied (Tu sei bella) zu verspotten und an ihren göttliche Auftrag zu erinnern, Frankreich zu retten.
Orgelklänge und „singende“ Klarinette
In zwei Chorsätzen fanden sich sogar Anklänge an Verdis geistliche Musik: In der Oper „La battaglia di legnano“ versammeln sich die Krieger in den Gewölben der Mailänder Basilika S. Ambrogio, um mit dem Gebet „Deus meus“ zu schwören, dass sie bis zum Tod für Italien kämpfen wollen.
Und dann wurde noch aus der völlig unbekannten Oper „Aroldo“ der wunderschöne Chor „Non punir mi“ gesungen, in dem die Reue der Frau des Ritters Aroldo wegen ihrer ehelichen Untreue zum Ausdruck gebracht wird. Wie schon beim vorhergehenden Stück begleitete Victor Schätzle den Chor auf der selten gespielten Orgel des Bibliothekssaales. Das sich anschließende Gebet der Frau des Ritters (Salva me) „sang“ eine Klarinette, ergreifend einfühlsam gespielt von Michael Reich. Auch Sopranpartien in anderen Opernchören und Arien hat an diesem Abend der Klarinettenspieler, die weibliche Singstimme überraschend gut imitierend, zur Freude der Zuhörer übernommen.
Triumphmarsch als krönender Abschluss
Bevor am Ende des Konzertes der „Triumphmarsch“ gesungen wurde, erinnerte Verdi (Max Hardwiger) noch daran, dass genau vor 200 Jahren, am 19.10.1813, die Völkerschlacht von Leipzig ihr verheerendes Ende fand und dass Richard Wagner als fünf Monate alter Säugling in diesem vom Tod gezeichneten Leipzig wie durch ein Wunder überlebte. Mit dem „Brautchor“ aus Wagners „Lohengrin“ als Konzerteröffnung und als Zugabe erwies der Liederkranz auch Richard Wagner seine Referenz und zugleich schloss sich damit der Kreis, so dass die mit großem musikalischen Können vorgetragenen Verdi-Opernchöre, wie ein großartiges Bild in einem wunderschönen Rahmen erschienen.
Juliane Durach begleitete am Flügel mit Bravour die Opernchöre und hat das fehlende Opernorchester vergessen lassen. Walter Gropper, der als Spiritus Rector nicht nur die Musikstücke ausgewählt, sondern auch für die drei Sprecher die Texte geschrieben hatte, dirigierte mit beeindruckender Souveränität seinen Liederkranz und führte ihn an diesem Abend zu seiner musikalischen Höchstform.
Es ist schon erstaunlich, wie ein Amateurchor diese anspruchsvolle Opernliteratur annimmt und auch sehr gut meistert. Das Publikum hat mit lang anhaltendem Beifall seinen Dank und seinen tief empfundenen Respekt gegenüber dem, was an diesem Abend geboten wurde, ausgedrückt. Zur Freude aller durfte am Ende auch noch das Publikum zusammen mit dem Liederkranz den „Gefangenenchor“ singen. Karl Hack