Musikalische Herausforderung mit Bravour gemeistert

23.10.2014

Schon allein der Blick in das mit „Jugendwerke großer Komponisten“ überschriebene Programm für das diesjährige Kirchenkonzert des Liederkranzes Ochsenhausen e.V. ließ zweifach erstaunen: Erstens: Die angekündigten Werke sind echte Raritäten. Und zweitens: Die Komponisten dieser Werke erfreuen sich zwar einer außerordentlichen Berühmtheit, die Jahreszahlen aber verraten, dass die Komponisten noch Kinder oder bestenfalls reifere Teenager waren, als sie die im Konzert aufzuführenden Werke schufen.

Zu Beginn des Konzertes erklang in der gut besuchten Ochsenhausener Klosterkirche die Gabler-Orgel. Der Organist Ludwig Kibler spielte in einer feurig-brillanten und mitreißenden Interpretation Johann Sebastian Bachs wohl berühmteste Orgelkomposition: die Toccata und Fuge d-moll. Nach einem von Hermann Hesse verfassten literarischen Prosa-Lobgesang auf Bachs Orgelmusik übernahmen der Chor, die Solistinnen und das Orchester mit zwei Vokalsätzen aus der Johannes-Passion von Georg Friedrich Händel die Gestaltung des Konzertes. Gleich im ersten Vokalsatz „Schauet, mein Jesu ist Rosen zu gleichen“ ließen die beiden bestens aufeinander abgestimmten Sopran-Solistinnen, Julia Dominique und Verena Gropper, mit ihren strahlenden Stimmen, denen nach oben anscheinend kein Limit gesetzt ist, aufhorchen. Anschließend verstand es der Chor mit Verena Gropper als Solistin im „Schlafe wohl nach deinem Leiden“ zarte Gefühlsregungen in beeindruckender Klanghomogenität auszudrücken. Mit Carl Philipp Emanuel Bachs „Et misericordia“ aus dem Magnificat blieb man bei der Barockmusik. Der Chor bestand mit Bravour diese musikalische Herausforderung, wobei die Frauenstimmen höchst anspruchsvolle Partien zu meistern hatten. Wiederum in gelungener Interaktion mit den beiden Solistinnen präsentierte der Chor die sehr selten zu hörenden Vier Sätze einer Messe von Richard Strauss in Kombination mit Messgesängen von Joseph Haydn und ließ dabei die epochalen Unterschiede deutlich hervortreten. In der Schlusskantate aus der Grabmusik von Wolfgang Amadeus Mozart schlug der Chor ganz andere Töne an und bat mit drängendem Flehen: „Richte uns nach Schärfe nicht!“

Beachtliche artikulatorische Sorgfalt Verena Gropper ließ dann mit ihrer glockenreinen Sopranstimme die Festtagsstimmung im Offertorium zum Benediktusfest des erst zehn Jahre alten Mozart aufleuchten, was auch als eine Hommage an die altehrwürdige benediktinische Tradition in Ochsenhausen verstanden werden darf. Und der Chor folgte ihr jubelnd mit „Cara o pignora“. Die frohe Stimmung wurde noch einmal aufgegriffen in der Sopran-Arie „Da stiegen die Menschen ans Licht“ aus der Trauerkantate für Kaiser Joseph II. von Ludwig van Beethoven. Verena Gropper sang diese Arie in einer dynamisch und tonal weit gespannten Bandbreite zusammen mit dem Chor ergreifend schön und andächtig. Im Anschluss daran wurden fünf Kompositionen aus dem 19. Jahrhundert aufgeführt, die ersten drei davon a cappella. Ein Solo-Quartett intonierte mit warmem, weichem Klang das Nachtgebet „Jube Domne“ von Felix Mendelssohn Bartholdy und rief damit in Erinnerung, dass hier in dieser Kirche die Benediktinermönche jahrhundertelang jeden Abend die Komplet gesungen haben. Untadelig intonierte der Chor mit beachtlicher artikulatorischer Sorgfalt das Graduale und das Offertorium aus der Choralmesse für Gründonnerstag von Anton Bruckner, wobei die chromatischen und modulatorischen Wendungen den liturgischen Texten hohe Ausdruckskraft verliehen. Dann sangen die Frauen des Liederkranzes silberhell ihre einfühlsame Interpretation der Marien-motette von Johannes Brahms und ließen die Zuhörer spüren, dass das „Ave Maria“ als Gebet verstanden werden soll. Das Kirchenkonzert des Liederkranzes fand seinen krönenden Abschluss mit dem von Thomas von Aquin verfassten Fronleichnamshymnus „Tantum ergo“, der von Franz Schubert vertont wurde.

Walter Gropper seit 20 Jahren Liederkranz-Dirigent Das Glockengeläut vor dem lang anhaltenden Applaus unterstrich den geistlichen Charakter des Liederkranzkonzertes, das von Walter Gropper wie gewohnt souverän geleitet wurde. Inzwischen dirigiert Walter Gropper schon seit 20 Jahren den Liederkranz Ochsenhausen und hat ihn, höchste Ansprüche stellend, weit über das übliche Niveau eines Laienchores hinausgeführt. Größtes Lob verdient das professionell agierende Orchester „Con brio“ mit seinem Konzertmeister Günther Luderer, das dem Chor und den herausragenden Solistinnen, die dem Konzert seinen besonderen Glanz verliehen, genügend Raum ließ, um ihre gesanglichen Qualitäten entfalten zu können. Karl Hack