Tod und Paradies werden zur Berührung

03.11.2016

Musik zum Totengedenken hatte sich der Liederkranz Ochsenhausen für sein Jahreskonzert in der Klosterkirche Ochsenhausen erwählt. Es begeisterte nicht nur durch die Leistungen des Chores und der hervorragenden Solisten, sondern auch durch die Vielfalt in der musikalischen Auswahl von Walter Gropper, dem die Gesamtleitung oblag.

Die sphärischen Flötentöne von Christian Prader, aus der „Tiefe“ – hinter dem Kreuzaltar – gespielt, geleiteten die Zuhörer sanft zur Ruhe und zur Ernsthaftigkeit des Themas. „Unser Leben ist ein Schatten – Musik zum Totengedenken“ war jedoch fernab von Todesschwere und Kümmernis beladen. Der tiefe Glaube der Komponisten an ein Leben nach dem Tod, beziehungsweise an den Tod als Erfüllung des Lebens, bereitete auch musikalisch eine überraschende Vielfalt, die den Ausführenden Gelegenheit gab, Schmerz und Jubel gleichermaßen erklingen zu lassen. Die Wehmut der beiden Chorsätze „O Welt ich muss dich lassen“ von Heinrich Isaac und „Ich lag in tiefer Todesnacht“ von Johannes Eccard, durchbrach die Sopranistin Julia Dominique alternierend mit dem Chor im hoffnungsvollen „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ von Johann Michael Bach. „Unser Leben währet siebenzig Jahr“ von Johann Michael Bach führte zur mehrsätzigen Motette „Unser Leben ist ein Schatten“ von Johann Bach, quasi Namenspatronin des ganzen Konzerts. Mitglieder des Kammerchors Tritonus übernahmen hier den Part des Alterimchores. Das mit perlenden Koloraturen geschmückte „Sei getreu bis in den Tod“ von Johann Christoph Bach meisterte der Chor überaus musizierfreudig.

Nach dem ersten Chorblock folgte als Glanzpunkt des Konzerts der Auftritt der Solisten. Christine Behringer und Christian Prader spielten ein „Arioso“ von Johann Sebastian Bach, eine innig, leicht intonierte Zäsur, bevor Verena Gropper drei Sätze aus der Bachkantate „Ich habe genug“ interpretierte. Die Frankfurter Sängerin bestach mit hoher Ausdruckskraft und perfekter Artikulation. Ihr zur Seite stand wieder Christian Prader (nicht zufällig auch aus Frankfurt) und ein exzellentes Instrumentalensemble mit Günther Luderer als Primus inter pares.

Wieder war nun der Chor gefordert im stilistisch ganz anders geprägten dritten Konzertteil. Über einem improvisierten, zunächst atonalen Klangteppich las Max Hadwiger die Übersetzung des Psalms „De profundis“, den der Chor in einer Fassung von Georg Reutters folgen ließ. Als Tribut an die Region erklang Nikolaus Betschers „Zum Gedächtnistage Aller Seelen“, bevor Musik aus Romantik und Neuzeit das Thema des Konzert auf eine emotional gesteigerte Ebene hob.
Unter den vielen „Pie Jesu“-Vertonungen überragt die Komposition von Gabriel Fauré alle, und Verena Gropper gelang wieder eine höchst berührende Interpretation. „In paradisum“ aus dem Requiem von Karl Jenkins, das modernste Stück des Konzerts, vermittelte wieder Seelenfrieden, paradiesische Ruhe. Eine Rarität und ein weiteres Klangerlebnis überbrachte Christine Behringer mit ihrer Harfe „In memoriam Tsunami“ von David Watkins. Mit „Sei stille im Herrn“, innig interpretiert von Verena Gropper, und dem Chorsatz „Wer bis an das Ende beharrt“ aus dem Oratorium Elias von Felix Mendelssohn Bartholdy wurden die zahlreichen Besucher sichtlich ergriffen aus dem außergewöhnlichen Konzert des Liederkranzes entlassen. Begeisterter Applaus war der Dank an alle für diese eindrucksvolle Leistung. Marianne Schneider